Komplexes Umfeld. Klare Entscheidungen.
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Aufgeschoben ist nicht aufgehoben

27.06.2023

Tresides Halbjahresausblick 2023

Das erste Halbjahr verlief deutlich besser als von vielen erwartet. Die schwache Wirtschaftsentwicklung über die Wintermonate hatte weder Einfluss auf die Gewinnentwicklung der Unternehmen, noch auf die globalen Arbeitsmärkte. Trotz einer weiter restriktiven Notenbankpolitik konnten globale Aktienmärkte deutlich zulegen (YTD-Performance gemessen am MSCI World vom 16.06.2023: +15,2%) und auch die Risikoaufschläge von Unternehmensanleihen gingen weiter zurück. Doch wie geht es weiter? Aus monetärer Sicht wirken Zinserhöhungen bzw. der Geldmengenrückgang mit einer zeitlichen Verzögerung von etwa einem Jahr auf die Aktienmarktperformance. Die EZB hat vor ziemlich genau elf Monaten zum ersten Mal ihren Leitzins angehoben und befindet sich aktuell bei einem Einlagesatz von 3,5%. Die FED hingegen startete ihren Zinserhöhungszyklus bereits vor 15 Monaten und steht aktuell zwischen 5-5,25%. Wir gehen davon aus, dass die FED noch ein weiteres Mal das Leitzinsband um 25Bps anheben wird. Auf Seiten der EZB erwarten wir noch zwei weitere Zinsanhebungen auf einen Zielzinssatz von 4%. Mit Leitzinssenkungen ist wohl erst im kommenden Jahr zu rechnen. Abbildung 1 zeigt eindrucksvoll wie schnell die Leitzinsen angehoben wurden und wie es aus unserer Sicht weitergehen könnte:

Abbildung 1: Leitzinsentwicklung (EZB/FED) und Tresides Prognose
Abbildung 1: Leitzinsentwicklung (EZB/FED) und Tresides Prognose

Die Auswirkungen der Zinsanhebungen und dem Liquiditätsentzug sind bislang hauptsächlich bei den Finanzierungskosten und den Finanzierungsbedingungen zu sehen. Während die Kreditvergabe deutlich restriktiver wurde, nahm die Kreditnachfrage seitens der Unternehmen spürbar ab. In Abbildung 2 und 3 wird zum einen beleuchtet wie sich die das Geldmengenwachstum (M2) entwickelt hat und zum anderen wie sich die steigenden Zinsen auf die Kreditnachfrage bzw. die Kreditvergabe (invers dargestellt) ausgewirkt haben:

Abbildung 2: Geldmengenentwicklung (EZB und FED Geldmengenwachstum M2)
Abbildung 2: Geldmengenentwicklung (EZB und FED Geldmengenwachstum M2)
Abbildung 3: EZB Umfrage Kreditvergabe und Kreditnachfrage
Abbildung 3: EZB Umfrage Kreditvergabe und Kreditnachfrage

Die Bewertungen an den Aktienmärkten haben sich verteuert. Auf der einen Seite haben sich die Unternehmensgewinne in Europa seit Jahresbeginn durchaus positiv entwickelt, allerdings ging die positive Aktienperformance auch zulasten einer Bewertungsausweitung. In den USA hingegen wurden die Gewinnschätzungen im Gros über das letzte Jahr zurückgenommen (Abbildung 4), weshalb die Bewertungen im S&P500 gemessen am KGV von 19,3 im historischen Vergleich als sehr teuer einzustufen sind (Abbildung 5). Wichtig dabei zu wissen ist, dass die KGV-Ausweitung hauptsächlich durch wenige Technologie-Werte getrieben wurde und die Marktbreite eher als unterdurchschnittlich angesehen werden muss. Auch im relativen Vergleich zu den Anleihemärkten muss konstatiert werden, dass die Risikoprämien am Aktienmarkt deutlich unattraktiver geworden sind. Beispielsweise ist das sog. Equity Risk Premium (sprich die Aktienrendite von aktuell 5,2% im Vergleich zum risikolosen aktuellen 2-jährigen Zinssatz von 4,7%) in den USA auf 0,5% gefallen. Zudem ging die Schere zwischen den Markt-KGVs und der Entwicklung der Realrendite (10-jährige Staatsanleiherendite abzüglich der 10-jährigen Breakeven Rendite) zuletzt deutlich auf und impliziert ein erhöhtes Rückschlagpotenzial!

Abbildung 4: Entwicklung der Gewinnschätzungen (Stoxx600/ S&P500/ MSCI EM)
Abbildung 4: Entwicklung der Gewinnschätzungen (Stoxx600/ S&P500/ MSCI EM)
Abbildung 5: Historischer Bewertungsvergleich (KGV)
Abbildung 5: Historischer Bewertungsvergleich (KGV)

Hinsichtlich der Positionierung des Marktes lässt sich kein eindeutiges Bild ausmachen. Die Sorglosigkeit der Marktteilnehmer - gemessen an den Volatilitätsindices - scheint deutlich zugenommen zu haben:

Abbildung 6: Implizite Volatilität des amerikanischen und europäischen Aktienmarkts
Abbildung 6: Implizite Volatilität des amerikanischen und europäischen Aktienmarkts

Gleichwohl waren viele Investoren mit Blick auf den aktuellsten Fund Manager Survey eher zurückhaltend und haben erst kürzlich angefangen höhere Cashbestände abzubauen (5,1% nach 5,6%).

Abbildung 7: Kassenhaltung der befragten Fondsgesellschaften (BofA Fund Manager Survey)
Abbildung 7: Kassenhaltung der befragten Fondsgesellschaften (BofA Fund Manager Survey)

Wo sehen wir Chancen im zweiten Halbjahr?

Auf der Rentenseite gehen wir bedingt durch den Inflationsrückgang davon aus, dass das Ende des Zinserhöhungszyklus in Sicht ist. Trotz einer teilweise „sticky Inflation“-auch getrieben durch einen erhöhten Lohndruck und den Deglobalisierungstrend- erwarten wir, dass die Zinsen konsolidieren dürften. Aus Multi-Asset Sicht schützt die sog. „Carry“ das Portfolio vor größeren Rückgängen und bietet im Falle eines Risk-off-Szenarios Diversifikationsmöglichkeiten. Dabei erwarten wir wieder eine negativere Korrelation zwischen Renten und Aktien. Ebenfalls erwarten wir eine Normalisierung der teils erheblich inversen Zinsstrukturkurven in den USA sowie in Europa. Mit Blick auf 2024 dürften Notenbanken Zinssenkungen wieder in den Fokus nehmen (v.a. im Falle einer sich abschwächenden Wirtschaft). Demnach bietet es sich aktuell auch wieder an, Chancen im kürzeren Laufzeitbereich zu nutzen (bpsw. durch die Beimischung von kurzlaufenden EUR-Covered Bonds) und die Portfolien dadurch zu stabilisieren.
Am Aktienmarkt hat sich das Chance-Risiko-Verhältnis nach dem starken Anstieg im ersten Halbjahr etwas verschlechtert, dennoch sehen wir regional und sektoral Chancen. Derzeit präferieren wir die Emerging Markets und Europa gegenüber den USA. Dies lässt sich zum einen auf die Bewertungs- und Gewinntrenddiskrepanz zurückführen, zum anderen aber auch durch den fiskalpolitischen Stimulus, der jüngst vor allem in China wieder forciert wurde (wohingegen die Neuverschuldung in den USA durch die Einigung in der Schuldenobergrenze reduziert werden muss). Ebenso erachten wir einen Einstieg in den AI-Hype als zu spät an, weshalb wir Value- ggü. Growth-Titeln bevorzugen. Insgesamt möchten wir den starken Volatilitätsrückgang dazu nutzen, die Asymmetrie in den Portfolien zu erhöhen und stocken Absicherungspositionen mittels Optionen auf. Die aktuelle Sorglosigkeit lässt mit Blick auf nachlassende Wachstumsraten im zweiten Halbjahr eine zunehmende Schwankung am Aktienmarkt erwarten. Demzufolge haben wir unseren Short Put-Anteil zur Generierung von Optionsprämien deutlich reduziert und warten auf neue Opportunitäten.
Ein deutlich höheres Rezessionsrisiko ist unseres Erachtens am Rohstoffmarkt eingepreist (insbesondere bei Energierohstoffen). Durch eine Verringerung des Ölangebots (OPEC-cuts) und zusätzliche Stimulierungsmaßnahmen seitens der chinesischen Volkswirtschaft sehen wir Chancen am Energiemarkt, wovon auch Rohstoffwährungen (z.B. die norwegische Krone) profitieren könnten. Unterstützt werden Rohstoffe Investments von dem zwischenzeitlich deutlich positiven Beitrag aus dem Rentenportfolio (Collateral) und den anhaltend positiven Rollrenditen.

Welche Anpassungen unserer Hausmeinung haben wir vorgenommen?

Im Vergleich zu unserem Jahresausblick vom 27.12.2022 haben wir zum einen die Duration bei kerneuropäischen Staatsanleihen auf neutral erhöht. Dabei erachten wir auch den Covered Bond Markt wieder als interessant, weshalb wir unser starkes Untergewicht aufgelöst haben. Auf der anderen Seite haben sich die Risikoaufschläge v.a. von kurzlaufenden Unternehmensanleihen deutlich reduziert, weshalb wir unser Übergewicht reduziert haben. Wir halten aber an unserer positiven Einschätzung von offensiveren Unternehmensanleihen fest. Im Aktienmarktbereich haben wir die Emerging Markets zunächst auf neutral herabgestuft, um diese aktuell wieder zulasten von teuren europäischen Large Caps überzugewichten. Wir setzen weiterhin auf bilanzstarke Qualitätsaktien, die in der Lage sind, hohe Ausschüttungen zu erwirtschaften. Im Währungsbereich präferieren wir Rohstoffwährungen wie die norwegische Krone. Im Folgenden zeigen wir unsere Einschätzungen zu verschiedenen Assetklassen im Überblick:

Abbildung 8: Einschätzung der Anlageklassen
Abbildung 8: Einschätzung der Anlageklassen

Wir freuen uns über Diskussionen und stehen für Rückfragen zu detaillierten Einschätzungen zu den einzelnen Assetklassen gerne zur Verfügung.

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben

Krennmayer, Jochen

Fondsmanagement- Partner, Senior Fondsmanager

 
Aufgeschoben ist nicht aufgehoben

Huck, Tobias

Fondsmanagement- Partner, Senior Fondsmanager

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben

Bachofer, Sandra

Fondsmanagement- Fondsmanagerin

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben

Rademacher, Thomas

Fondsmanagement- Partner, Senior Fondsmanager

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben

Krauß, Michael

Fondsmanagement- Partner, Senior Fondsmanager

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben

Maisch, Berndt

Fondsmanagement- Partner, Senior Fondsmanager