04.08.2022
Bereits Ende vergangenen Jahres kündigte sich eine Kaltwetterfront auf dem Crypto-Markt an - statt sich in neuen Hochs zu sonnen und die von Crypto-Enthusiasten ausgerufene 100.000 US-Dollar Marke zu erreichen, beendete der Bitcoin das Jahr knapp unter 50.000 US-Dollar. Im neuen Jahr setzte sich der Abwärtstrend, maßgeblich getrieben durch steigende Zins- und Inflationsraten und damit einhergehender Rezessionsängste am breiten Finanzmarkt fort. Es folgte der Crypto-Wintereinbruch. Ein halbes Jahr später, zur Jahreshälfte 2022, stand der Bitcoin bei etwa 20.000 US-Dollar - einem 18-Monatstief. Nun stellt sich die Frage, ob aus dem Crypto-Winter eine regelrechte Eiszeit wird oder ob doch Hoffnung auf einen „neuen Frühling“ besteht.
Für Crypto-Investoren mit mehrjähriger Erfahrung ist es nicht der erste Crypto-Winter. Korrekturphasen gab es, wie aus Grafik 1 hervorgeht, bereits häufiger. In der Vergangenheit führten sie nicht nur zu starken Kursrückgängen, sondern auch zu einer „Bereinigung“ des Marktes. Nachdem beispielsweise 2017 ein regelrechter Hype um Initial Coin Offerings (ICOs) entstanden war und zahlreiche Cryptoprojekte - oft mit zweifelhaften Use Cases - millionenschwere Fundings erhielten, kam es 2018 zu einem Crypto-Winter, den nur rund die Hälfte der zuvor emittierten Cryptos überstand. Dass ein „Survival of the Fittest“ auch am Crypto-Markt existiert und Cryptos besonders in Bärenmärkten ihre individuelle Stärke unter Beweis stellen können, zeigen unter anderem Projekte wie Chainlink oder die Binance Smartchain, die 2017 inmitten des Hypes um ICOs an den Markt kamen und heute nicht mehr aus der Cryptowelt wegzudenken sind. Sie bieten dank sinnhafter Use Cases, krisensicheren Algorithmen und Tokenomics sowie einem professionellen Entwicklerteam einen Long Term Value und sind inzwischen in Milliardenhöhe am Markt kapitalisiert.
2021 zogen Stablecoins das Interesse vieler Investoren auf sich und verzeichneten einen fulminanten Zuwachs in ihren Marktkapitalisierungen - allen voran jene Stablecoin-Projekte, die eine Kopplung an den US-Dollar versprechen. Ein wichtiges Anwendungsgebiet für währungsgebundene Stablecoins sind Transferzahlungen via Blockchain, die vor allem für Auslandsüberweisung eine günstige und schnelle Alternative zu Überweisungen mittels Intermediären wie Western Union darstellen. In Schwellenländern wie El Salvador entsprechen von Emigranten in die Heimat getätigte Überweisungen bis zu 20% des Bruttoinlandprodukts. Während die Abwicklung einer Auslandsüberweisung mehrere Werktage in Anspruch nehmen kann und dabei oftmals hohe Gebühren anfallen, können Stablecoins in Echtzeit und zu sehr niedrigen Kosten über die Blockchain transferiert werden. Im Jahr 2021 kam so ein Transaktionsvolumen von etwa 6 Billionen US-Dollar in Stablecoins zustande.
Jedoch gibt es bei der Umsetzung von Stablecoins maßgebliche Unterschiede, sodass eine genaue Kenntnis über die Funktionsweisen der Coins für Investoren unerlässlich ist. Die meisten Projekte hinterlegen ausgegebene Stablecoins in gleicher Menge mit echten US-Dollars. So kann in Krisenphasen die Investorennachfrage zur Herausgabe der US-Dollars stets befriedigt werden. Anders bei den algorithmischen Stablecoins, bei denen ein komplexer Algorithmus die Hinterlegung von US-Dollars ersetzt. Der an den US-Dollar gebundene algorithmische Stablecoin der Terra Blockchain, TerraUSD, hielt dem Härtetest des aktuellen Crypto-Winters nicht stand - das Projekt scheiterte im Mai 2022 und Investoren verloren Gelder in Höhe vieler Milliarden.
Die Europäische Union plant im Zuge der Markets in Crypto Assets (MiCA) Regulierung diejenigen Unternehmen, welche als Herausgeber von Stablecoins fungieren, zukünftig durch die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) überwachen zu lassen.
Die meisten Cryptowerte sind durch die zugrundeliegende Blockchain-Technologie nahezu vollständig transparent, und können mittels entsprechender Tools analysiert und ausgelesen werden. Grafik 2 zeigt die Anzahl der Bitcoin-Adressen auf welche die User mindestens einen ganzen Bitcoin transferiert haben. Trotz des fallenden Bitcoin-Kurses stieg diese Anzahl zuletzt deutlich an, die Zunahme beschleunigte sich sogar leicht. Bitcoin Investoren scheinen hier getreu dem Motto „never waste a good crisis“ zu handeln.
Viele Investoren in Bitcoin scheinen trotz starker Schwankungen langfristig zu investieren und halten trotz Preisrückgangen an ihrem Investment fest, wie Grafik 3 aufzeigt. Die grüne Linie zeigt den Anteil aller Bitcoins, welche seit mindestens einem Jahr nicht transferiert worden sind. Im Mai 2022 erreichte dieser Wert mit rund zwei Dritteln aller existierender Bitcoins ein Allzeithoch
Abschließend wollen wir noch einen Blick auf unseren hauseigenen Tresides Fear & Greed Indikator, der das Crypto-Marktsentiment von Bitcoin und 40 weiteren Cryptos analysiert, werfen. Dieser Stimmungsmesser untersucht neben technischen Indikatoren insbesondere mithilfe von Natural Language Processing das Sentiment in sozialen Netzwerken wie Twitter, und wertet zusätzlich die Anzahl der Suchanfragen mit Crypto-Bezug auf Google aus. Als Ergebnis erhalten wir für jeden untersuchten Crypto einen Wert zwischen 0 und 1, wobei ein Wert von 0 dem maximal möglichen negativen Sentiment entspricht. Der Gesamtindikator, der die Ergebnisse für alle untersuchten Cryptos aggregiert, erreichte im Juni einen nie dagewesenen Negativrekord von 0,1. Die gute Nachricht? Erreichen Sentimentindikatoren extreme Werte, so sind diese in der Regel als Kontraindikator zu lesen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es einige Anhaltspunkte für einen bevorstehenden „Dream of Spring“ für Cryptos gibt und sich damit die aktuell kühle Crypto-Jahreszeit für den Aufbau von Positionen anbietet.
Fondsmanagement- Partner, Senior Fondsmanager
Back-/Middle-Office- Partner, Middle Office
Fondsmanagement- Analystin