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Quo vadis Inflation?

29.11.2022

Das Thema Inflation ist in aller Munde und es gibt zahlreiche Erklärungsansätze...

Das Thema Inflation ist in aller Munde und es gibt zahlreiche Erklärungsansätze. Ein wissenschaftlicher Ansatz kommt von Irving Fisher (amerikanischer Mathematiker und Ökonom, 1867-1947), welcher 1911 die Fisher‘sche Quantitätsgleichung entwickelt hat. Diese vereinfachte Gleichung stellt sich wie folgt dar: M * v = Y * P  =>  P= (M * v)/ Y
wobei: M = Geldmenge (M2 oder M3), v = Umlaufgeschwindigkeit des Geldes pro Jahr, Y = reales Bruttoinlandsprodukt einer Volkswirtschaft, P = Preisindex des Bruttoinlandsprodukts
Wie zeigte sich dieser Zusammenhang in der Praxis? In den letzten Jahren stieg die Geldmenge getrieben durch die Notenbanken massiv an, während die Umlaufgeschwindigkeit (v) tendenziell rückläufig war – da Banken die zusätzliche Notenbankliquidität nicht in die Volkswirtschaften transformiert haben (Transformationsmechanismus der Geldpolitik). Dies sorgte letztendlich dafür, dass das Preisniveau bzw. die Inflation nicht stark anstiegen. In folgender Graphik wird die Geldmengenentwicklung (M3) der Kerninflation in der Eurozone gegenübergestellt:

Geldmengenentwicklung(M3) und Kerninflation in der Eurozone; Quelle: EZB, Tresides AM, Stand: 23.11.2022
Geldmengenentwicklung(M3) und Kerninflation in der Eurozone; Quelle: EZB, Tresides AM, Stand: 23.11.2022

Was hat sich seitdem verändert? Nach Ausbruch des Coronavirus versuchten Staaten durch massive fiskalpolitische Programme die Wirtschaft zu unterstützen und wurden dabei (zu lang) durch eine expansive Geldpolitik mit einem zu niedrigen Zinsniveau unterstützt. Dies zeigt die massive Zunahme der europäischen Staatsverschuldung bei einer gleichzeitig ansteigenden EZB- Bilanzsumme:

Staatsverschuldung in der EU und EZB-Bilanzsumme

Dies sorgte letztendlich dafür, dass M (Anstieg von Geldmenge M3 auf bis zu +12,5%) nach oben ging und auch v sich erholte was sich direkt auf P niederschlug (Y blieb weitestgehend konstant und erreichte in Europa jetzt wieder das Vor- Corona- Niveau). Neben all den exogenen Faktoren (steigende Rohstoffpreise durch geopolitische Konflikte/ Lieferkettenproblematiken) zeigt die Gleichung eindrucksvoll, warum wir aktuell eine deutlich höhere Inflationsrate haben. Doch wie geht es weiter?
Die Notenbanken versuchen durch eine restriktivere Geldpolitik (Zinserhöhungen und Reduzierung der Bilanzsummen) das M (direkt) und Y (indirekt), sprich die Liquiditätszufuhr und die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu reduzieren, um P wieder zu „kontrollieren“. Auf der anderen Seite versucht die Fiskalpolitik negative Effekte auf Y (z.B. durch eine Gas- & Strompreisbremse) zu verhindern, wodurch die staatliche Verschuldung weiter ansteigt. Glaubt man dem Konsens wirtschaftlicher Prognosen, wird sich das Wirtschaftswachstum weiter abschwächen, wodurch P im kommenden Jahr langsamer ansteigen dürfte (Stichwort Disinflation). Doch ob wieder Inflationsraten um 2% erreicht werden, hängt maßgeblich davon ab wie lange Notenbanken dem Wirtschaftskreislauf Liquidität entziehen und eine tiefe Rezession in Kauf nehmen. Der politische Druck dürfte im nächsten Jahr deutlich zunehmen, weshalb auch Zinssenkungen in 2023 nicht völlig ausgeschlossen werden können. Das hieße wir dürfen zwar rückläufige Inflationsraten in den nächsten Monaten sehen, aber wohl über dem angestrebten Niveau von 2% verharren.
Welche Auswirkung hat dies auf die Kapitalmärkte und insbesondere auf die Asset Allokation in einem Multi Asset Fonds? Die Performance eines europäischen und amerikanischen 60/40 Multi Asset Portfolios in diesem Jahr dürfte in die Geschichtsbücher eingehen, obwohl wir bei weitem keinen extremen Aktienmarktrückgang erlebt haben (Eurostoxx50: -13,3%, S&P500: -17,7%, Stand: 31.10.2022). Der 12- Monats- Rückgang zeigt sich wie folgt:

Performance europäisches und amerikanisches Multi Asset Portfolio

Dies lag in erster Linie daran, dass „künstlich“ hohe Bewertungen an den Kapitalmärkten korrigiert wurden und Korrelationen zwischen Aktien- und Rentenmärkten deutlich positiver wurden. Beispielsweise verlor die 100- jährige österreichische Anleihe (ISIN: AT0000A2HLC4) in der Spitze knapp -60% ihres Emissionspreises. Investoren sind also angehalten, auch neue Diversifikationsmöglichkeiten in ihr Portfolio aufzunehmen und einem nachhaltig höheren Inflationsniveau Rechnung zu tragen. Dabei spielen insbesondere Realwerte in den kommenden Jahren eine wichtigere Rolle. Welche unkorrelierten Anlageklassen wir verwenden und wie eine optimale Allokation im aktuellen Inflationsregime aussehen könnte, stellen wir beim nächsten Mal vor.

Anmerkung: die Inflationsentwicklung allein auf der Fisher‘sche Quantitätsgleichung zu begründen, greift zu kurz, da es auch in der Wissenschaft zahlreiche Kritikpunkte gibt. Dennoch ist der (vereinfachte) Zusammenhang sehr eindrücklich.


Quo vadis Inflation?

Krennmayer, Jochen

Fondsmanagement- Partner, Senior Fondsmanager