28.02.2021
Rohstoffe werden auf breiter Front teurer. Das dürfte der Start eines neuen Trends sein - der auch die Inflation befeuert. Anleger können daran verdienen.
Kupfer ist unverzichtbar. Ohne das rote Gold gäbe es keine Elektroautos, keinen Ökostrom aus Windrädern und auch keine Dächer mit Patina. Weil das so ist, trifft ein steigender Kupferpreis letztlich auch die Konsumenten. Zwar ist die Lieferkette von der Kupfermine bis zum fertigen Tesla lang. Niemand in dieser Kette will jedoch auf höheren Rohstoffkosten sitzenbleiben. Auch nicht Kabelhersteller Leoni, der steigende Kupferpreise an die Automobilbauer weitergibt. Letztlich zahlt der Endkunde die Rechnung.
Begehrt sind Kupfer und Co. zur Zeit auch bei Investoren. Die werden von mehreren Motiven getrieben: Einerseits hoffen sie auf einen kräftigen Nachfrageschub bei wieder anlaufender Weltkonjunktur, wenn Impfungen weltweit die Auswirkungen der Coronapandemie eindämmen. Andererseits suchen sie Schutz vor Inflation, wollen also die Kaufkraft ihres Geldes erhalten. Staatliche Konjunkturprogramme, aber auch die durch den Lockdown aufgestauten Konsumausgaben, könnten preistreibend wirken.
Nach starken Rückgängen im Frühjahr seien die Verbraucherpreise im weiteren Verlauf des vergangenen Jahres teils schon angesprungen, sagte der US-Notenbankchef Jerome Powell jüngst bei einer Anhörung im Senat. Allerdings bleibe die Inflation auf Jahressicht noch unter dem eigenen Zielwert der Fed von im Schnitt zwei Prozent.
Zuletzt sorgten sich an den Börsen viele, dass Inflation wieder ein echtes Anlagerisiko werden könne. Dabei blicken sie auch auf die Rohstoffmärkte. Nicht nur, weil Rohstoffe und Aktien von Unternehmen, die sie fördern, wegen ihres Sachwertcharakters als Inflationsschutz gelten. Steigende Rohstoffpreise können auch selbst zu Inflation führen, weil sie andere Güter verteuern - wie die Kupferkabel von Leoni. Höhere Getreidepreise verteuern Nahrungsmittel, mit dem Ölpreis ziehen Transportkosten an. Mit Rohstoffinvestments können Anleger mitverdienen. Das ist möglich mit Indexfonds (ETFs), die in viele Rohstoffaktien investieren, durch Kauf einzelner Aktien oder in Form von Exchange Traded Commodities (ETCs), die es für einzelne Rohstoffe gibt.
Rohstoffe sind allerdings keine homogene Anlageklasse, die Preise laufen längst nicht immer parallel. Agrargüter werden maßgeblich von Ernteerträgen in wichtigen Anbaugebieten bestimmt, Industriemetalle und Rohöl hängen an Konjunkturerwartungen, Edelmetalle werden vor allem von Zins- und Währungsschwankungen bewegt.
Der neue Aufwärtstrend
Manchmal laufen die Rohstoffpreise aber trotzdem im Gleichschritt. So wie aktuell: Seit April 2020 legte der breite Rohstoffindex S& P GSCI um nahezu 120 Prozent zu. Das ist beeindruckend. Allerdings wurde damit erst wieder das Vor-Pandemie-Niveau erreicht. Und im Vergleich zum breiten Aktienmarkt sind Rohstoffe gar noch preiswert, vergleichbar mit Februar 1999. Damals startete der letzte große Bullenmarkt für Rohstoffe. Ablesen lässt sich das, indem der Indexstand des S& P GSCI durch den Stand des US-Aktienindex S& P 500 geteilt wird. Bei fallenden Werten laufen Aktien besser als Rohstoffe - und umgekehrt (siehe Chart unten). Die relative Stärke von Rohstoffen gegenüber Aktien nimmt seit rund einem Jahr zu. Die Basis für einen neuen langfristigen Aufwärtstrend ist damit gelegt.
Der letzte große Aufwärtszyklus wurde durch die rasant steigende Nachfrage aus China befeuert. Das Rohstoffangebot, vor allem die Energie- und Bergbauförderung, konnte zunächst nicht in gleichem Maße erhöht werden. Das Angebot nahm erst zeitlich versetzt zu. Denn erst wenn die Rohstoffpreise längere Zeit auskömmliche Niveaus erreicht haben, investieren Produzenten verstärkt in Ausbeutung neuer Vorkommen. Mit dem Fortschreiten der Industrialisierung in China verlangsamte sich der Boom. Die globale Finanzkrise und der damit verbundene Einbruch der Rohstoffpreise markierten dann das Ende dieses von China getriebenen Superzyklus.
Die anschließenden mittelfristigen Aufwärtsbewegungen der Rohstoffpreise, zwischen 2009 und 2012 und dann wieder zwischen 2016 und 2018, wurden stets von Inflationssorgen begleitet - die am Ende unberechtigt waren. Denn die Notenbanken hatten mit ihren billionenschweren Geldspritzen in das Finanzsystem zwar die Geldmengen stark ausgeweitet. Damit aber bewahrten sie vor allem die Vermögenspreise vor Abstürzen. In der Realwirtschaft, in den Auftragsbüchern von Unternehmen oder auf den Gehaltszetteln der meisten Angestellten und Arbeiter kam vom Notenbankgeld wenig an.
'Es reicht nicht, wenn Notenbanken über immer tiefere Zinsen und Wertpapierkäufe Liquidität in das Finanzsystem pumpen. Das Geld müsste auch ausgegeben werden', sagt der bekannte Schweizer Investor Felix Zulauf. Das heutige Wirtschaftssystem sei angewiesen auf Wachstum, um die Schulden von Unternehmen und Staaten weiter bedienen zu können.
Wirtschaftswachstum entsteht durch Bevölkerungs- und Produktivitätszuwächse. Nur ist das Bevölkerungswachstum vor allem in den Industrieländern schwach und geht im Trend zurück, ebenso die Produktivitätsgewinne. Investor Zulauf geht davon aus, dass Staaten die Lücke füllen, mit deutlich höheren Ausgaben. 'Die Welt steht am Anfang, nicht am Ende einer langen Periode staatlicher Ausgaben für die Wirtschaft.'
Diese staatliche Nachfrage, die über Konjunkturprogramme direkt in der Wirtschaft und bei den Verbrauchern landet, könnte die Preise von Gütern und Dienstleistungen dauerhaft nach oben bringen.
Corona als Zäsur
Corona könnte, der massiven staatlichen Hilfs- und Konjunkturprogramme wegen, eine Zäsur bringen. Vor allem in den USA ist die zu spüren. Der neue US-Präsident Joe Biden will ein Konjunkturpaket über 1,9 Billionen Dollar auflegen, den Arbeitsmarkt ankurbeln und Millionen Bürgern 1400 Dollar per Scheck schenken.
Höhere Staatsausgaben bedeuten mehr Verschuldung über Staatsanleihen. Für die muss der Staat tendenziell höhere Zinsen bieten. Die Renditen der US-Staatsanleihen ziehen deshalb an. Die Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen liegen inzwischen bei über 1,3 Prozent pro Jahr, erstmals seit Februar 2020. Dazu nehmen die Inflationserwartungen zu: Wenn Notenbanken mehr Geld schöpfen und Verbraucher dank Staatshilfen mehr konsumieren, könnten die Preise anziehen - auch die von Rohstoffen.
Erfasst davon wurden nicht nur Industrierohstoffe, sondern auch die Getreidepreise, die schon wegen klimabedingt schlechterer Ernten zulegten. Die US-Notenbank Fed selbst sieht in steigenden Nahrungsmittelpreisen einen entscheidenden Faktor für das Entstehen von Inflation.
Steigende Heizkosten
Auch steigende Preise bei Energierohstoffen schlagen auf die Verbraucherpreise durch: Sie treiben die Transportkosten vieler Güter und verteuern die Industrieproduktion, etwa in der Chemiebranche.
Die Energieversorgung soll künftig zunehmend emissionsfrei sichergestellt werden. Der Green Deal der Europäischen Union und die Klimapläne von US-Präsident Biden verfolgen dieses Ziel. Investitionen in Windparks, Solaranlagen und Wasserkraftwerke sollen forciert, alternative Antriebsformen und Mobilitätskonzepte subventioniert werden.
Das unabhängige norwegische Research- und Beratungsunternehmen Rystad Energy geht deshalb davon aus, dass die weltweite Ölnachfrage mit 102 Millionen Barrel pro Tag 2028 ihren Höhepunkt erreicht und anschließend abnimmt. Gewiss, das Ende der Energieversorgung auf Basis fossiler Energieträger rückt näher. Doch der Weg dahin ist ein langer. Noch bleiben Öl und Gas unverzichtbar im Energiemix.
Öl ist der weltweit meistgehandelte Rohstoff. Derzeit geht der Trend nach oben: Seit Jahresanfang verteuerte sich Öl von 51 auf 65 Dollar je Barrel der Sorte Brent. Wenn Öl teurer wird, merken es die Autofahrer an der Tankstelle. Seit Jahresanfang hat das Superbenzin E10 laut ADAC im Schnitt von 1,26 auf 1,41 Euro je Liter angezogen.
Auch wer derzeit Heizöl ordern muss, ärgert sich. Allein im Januar verlangten die Heizöllieferanten 14 Prozent mehr als im Dezember des Vorjahres, meldet das Statistische Bundesamt. Der kalte Winter und aufgedrehte Heizungen im Homeoffice haben den Brennstoff verteuert.
Wie es am Ölmarkt weitergeht, darüber verhandeln am 4. März die Vertreter der wichtigsten ölfördernden Länder per Videokonferenz - wegen Corona. Bisher halten sich die Ölförderer an Saudi-Arabiens Vorgabe, die Produktion zu drosseln. Das erklärt auch die Ölpreisrally seit November vergangenen Jahres, als Öl nur 37 Dollar je Barrel kostete. 'Der jetzige Preis von 65 Dollar für die Nordseesorte Brent ist nicht nachhaltig', sagt Eugen Weinberg, Rohstoffexperte der Commerzbank. Die Opec einige sich nur, wenn der Preis niedrig sei. Der Effekt einer konjunkturellen Erholung sei weitgehend antizipiert. Für einen neuen Preisschub bei Öl müsse der Turnaround in den Industrieländern stärker sein als bisher wahrscheinlich, sagt Weinberg. Die Internationale Energieagentur geht davon aus, dass die Ölnachfrage in diesem Jahr 60 Prozent des Verlusts vom Coronajahr 2020 gegenüber 2019 wieder wettmachen wird.
Verbraucher, die mehr für Benzin oder Heizöl zahlen müssen, können sich zumindest einen Teil dieser Kosten an der Börse wiederholen. Besser als Zertifikate auf den Ölpreis sind Aktien der Energiekonzerne. Denn sie werfen in der Regel hohe Dividenden ab. Der französische Ölkonzern Total beispielsweise zahlt eine Dividendenrendite von 7,6 Prozent. Zudem sind Aktien, anders als Produkte, die auf Termingeschäften beruhen, in der Regel immer handelbar. Der größte Fonds auf Öltermingeschäfte, der 3,6 Milliarden Dollar schwere United States Oil Fund, musste dagegen 2020 wegen zu großer Preisschwankungen zeitweise schließen.
Langfristig macht die Energiewende die Ölmultis allerdings zu Verlierern, wenn sie ihr Geschäft nicht umstellen. Erdgas dagegen wird noch auf Jahrzehnte als Übergangslösung benötigt. Es gilt als weniger klimaschädlich als Öl. Der Wintereinbruch in den USA und Europa hat auch die Gaspreise zuletzt nach oben getrieben. Im Schnitt um sieben Prozent haben die deutschen Gasversorger die Preise im Januar und Februar erhöht, meldet das Vergleichsportal Verivox.
Politischer Druck bei Flüssiggas
Nicht alle Länder können mit Pipelines direkt versorgt werden. Einige, wie Japan, decken ihren Bedarf mit Flüssiggas (LNG). Wegen des Wintereinbruchs hat sich der Börsenpreis für Flüssiggas, das nach China, Japan und Südkorea geliefert wird, in diesem Jahr mehr als verdoppelt. In Asien sitzen die weltweit größten Abnehmer für LNG.
Höhere Energiepreise machen Flüssiggas wettbewerbsfähiger. Das liegt an den zusätzlichen Produktionskosten für LNG. Um Gas zu verflüssigen, muss es auf minus 162 Grad heruntergekühlt werden. Das kostet Energie und erfordert zusätzliche Technik. Für viele Länder ist Flüssiggas auch so etwas wie eine Versicherung gegen Rohstoffengpässe. Denn Pipelines sind anfällig für Krisen oder politische Erpressung. Die Ostseepipeline Nord Stream 2 ist das beste Beispiel dafür. So soll Vizekanzler Olaf Scholz der US-Regierung mehr Investitionen in die LNG-Terminals deutscher Seehäfen versprochen haben, wenn die Amerikaner die Ostseepipeline nicht mehr sanktionieren.
Flüssiggas ist eine langfristige Wette, denn derzeit ist das Angebot rund zwei Prozent größer als die Nachfrage. 'Knapp wird LNG wahrscheinlich in etwa einem Jahrzehnt', sagt Hannes Loacker, Energiefondsmanager bei der österreichischen Raiffeisen Capital Management.
LNG-Spezialisten wie die a
merikanische Cheniere Energy verdienen daran, dass Abnehmer keinen Zugang zu Erdgaspipelines haben oder sich nicht auf diese verlassen wollen. Wie viele andere Rohstoffe wird Flüssiggas auf Termin verkauft. Cheniere hat bereits 90 Prozent der für 2021 eingeplanten LNG-Produktion veräußert. Die Texaner schließen in der Regel Verträge mit ihren Kunden ab, bei denen diese einen festen Betrag zahlen müssen - unabhängig davon, ob sie das Flüssiggas tatsächlich abnehmen oder nicht. Im Fachjargon heißen sie Take-or-Pay-Verträge. Zudem decken die langfristigen Lieferverträge, die im Schnitt 20 Jahre laufen, derzeit 85 Prozent der Produktionskapazität ab. Das sichert Cheniere einen kalkulierbaren Cashflow, die Aktie ist daher höher bewertet als andere Energiewerte.
Wer sowohl an teurerem Flüssiggas als auch Öl verdienen will, kann sich Royal Dutch Shell ins Depot legen. 'Shell hat bei LNG einen Marktanteil von 20 Prozent und sollte ein Hauptprofiteur des Flüssiggasbooms sein', sagt Energiefondsmanager Loacker. Mit den Übernahmen der britischen BG Group und der LNG-Sparte von Repsol habe Shell frühzeitig sein Flüssiggasgeschäft ausgebaut. Unter dem Strich ist Shell derzeit aber noch primär eine Ölwette, weil Gas bisher nur 18 Prozent vom Umsatz ausmacht.
Selbst die umstrittene Nuklearenergie könnte sich als Investment eignen. Einflussreiche Kämpfer gegen den Klimawandel wie Bill Gates und Elon Musk setzen auf sie, weil zumindest im Atomkraftwerk keine Treibhausgase entstehen. In den USA und Großbritannien wurden bereits die Betriebslaufzeiten von Atomkraftwerken verlängert.
Eine Depotanreicherung bietet die Aktie von Uranium Participation. Die kanadische Investmentgesellschaft kauft seit 2005 physisch Uran auf und lagert das Material ein. Uran ist der wichtigste Brennstoff für den Betrieb von Atomkraftwerken.
Metalle für ein gutes Klima
Für die politisch angestrebte emissionsfreie Energieversorgung werden jede Menge Rohstoffe benötigt. Oft sogar mehr als bisher. Je Megawatt Leistung müssen bei Windturbinen vier bis neun Tonnen Kupfer eingesetzt werden. In E-Autos mit reinem Batterieantrieb werden in Motor, Batterien und Kabeln 80 Kilogramm Kupfer verbaut. Pro Ladestation kommen noch etwa acht Kilo dazu. In Autos mit Verbrenner hingegen stecken nur 15 bis 28 Kilo Kupfer. Und für Batterien braucht es bisher auch Nickel, Mangan und Kobalt.
Diese Fakten sprechen für weiter steigende Preise. Die Beratungsgesellschaft Wood Mackenzie etwa geht davon aus, dass der Kupferpreis dauerhaft oberhalb von 6000 bis 7000 Dollar pro Tonne notieren muss, damit Bergbauunternehmen weiter in den kapitalintensiven Abbau neuer Vorkommen investieren.
Als Inflationsmetall schlechthin gilt Silber. Seit Jahrhunderten schon ist es ein Währungsmetall, zunehmend gewinnt es aber auch industrielle Bedeutung. Silber eignet sich zum Beispiel hervorragend als Energieleiter. Die Solarindustrie nutzt es, aber auch Autobauer, in deren Modellen immer mehr Elektronik steckt. Zuletzt gewannen auch Anleger an Bedeutung, die physisch Silber kaufen, über Fonds oder direkt, als Münzen und Barren. Silber, das über viele Jahrhunderte das gängigste Zahlungsmittel war, erlebt aktuell ein Comeback als Werterhaltungsmittel mit monetärem Charakter.
So könnte es in diesem Zyklus weit vorne landen, noch vor Gold. Und die Inflation verliert mit etwas Silber an Schrecken.
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