Komplexes Umfeld. Klare Entscheidungen.
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Europäische Unternehmensgewinne mit „V“-förmiger Erholung – beim Blick in den Rückspiegel herrscht klare Sicht

02.11.2020

Staatlich verordnete Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie in weiten Teilen Europas, die anstehenden US-Präsidentschaftswahlen sowie mangelnde Fortschritte bei den Brexit-Verhandlungen sorgen am europäischen Aktienmarkt derzeit für erhebliche Verunsicherung, steigende Volatilitäten und fallende Kurse. Im Schatten dieser wirtschaftlich und politisch enorm bedeutenden Ereignisse läuft aktuell die Berichtssaison der Unternehmen für das 3. Kalenderquartal auf Hochtouren.

Das hieraus resultierende Bild entspricht zwar nur einem Blick in den Rückspiegel, steht aber in deutlichem Kontrast zur schwierigen Situation am Aktienmarkt. So haben rund 70% der Unternehmen bislang die Analystenerwartungen in Bezug auf die Unternehmensgewinne übertreffen können, was im Vergleich zu den Vorjahren einer „Beat-Ratio“ auf Rekordniveau entspricht. Der durchschnittliche Gewinnrückgang konnte im Vergleich zum Corona-unbelasteten Vorjahresquartal auf lediglich rund 15% begrenzt werden. Wirtschaftliche Impulse durch die insbesondere in China rasche Konjunkturerholung, Aufholeffekte nach dem enorm schwierigen Vorquartal, hohes Kostenbewusstsein sowie die Inanspruchnahme staatlicher Hilfsprogramme sind die treibenden Faktoren für dieses erfreuliche Ergebnis, was von der Mehrheit der Analysten offensichtlich unterschätzt wurde.

Vorausschauend investieren

Unter Branchengesichtspunkten profitieren vor allem Hersteller von Luxusgütern, Automobilen, Industriegütern und chemischen Produkten von der Konjunkturerholung in China. Unternehmen wie LVMH, Daimler, Schneider Electric oder Akzo Nobel übertreffen sogar das Umsatz- bzw. Ertragsniveau des Vorjahres bereits wieder. Auch die von vielen Investoren gemiedene Bankenbranche überrascht überwiegend positiv. Geringere Negativzinsen auf die Liquiditätsreserven bei der Notenbank sowie eine gestiegene Kreditnachfrage von Seiten des Unternehmenssektors gleichen die Auswirkungen der gesunkenen Zinsstrukturkurve auf das Zinsergebnis oft mehr als aus. Die starke Emissionstätigkeit am Kapitalmarkt sowie die Erholung der wirtschaftlichen Aktivität führen zudem zur raschen Erholung des Provisionsergebnisses. Hinzu kommen sinkende Betriebskosten sowie eine im Vergleich zum ersten Halbjahr wieder erheblich reduzierte Risikovorsorge, sodass sich die Profitabilität auch dieser Branche stark erholt. Auch in weniger zyklischen Sektoren wie Telekommunikation und Nahrungsmittel fallen die Quartalsberichte überwiegend besser aus als erwartet.

Für negative Überraschungen sorgen dagegen mehrheitlich Titel aus den Branchen Energie und Versorger. Neben den anhaltend niedrigen Öl-, Gas- und Strompreisen sorgt der Corona-bedingte Nachfragerückgang nach Mineralölprodukten auch für einen Kollaps bei den Raffineriemargen. Die von Investoren favorisierten Technologieaktien werden zwar überwiegend ihrem Wachstumscharakter gerecht und weisen anhaltendes Umsatz- und Gewinnwachstum auf. Vereinzelte Negativbeispiele wie SAP werden allerdings bei Nichterfüllen der Wachstumsaussichten am Markt drastisch abgestraft.

Zwar erschweren die aktuellen Rahmenbedingungen den Blick auf den künftigen Geschäftsverlauf ganz erheblich. Die in der Summe wieder leicht anziehenden Gewinnerwartungen der Analysten für 2021 sind aber mehr als nur ein Lichtblick im aktuell schwierigen Marktumfeld.