Komplexes Umfeld. Klare Entscheidungen.
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Die unsichtbare Krise

30.03.2020

Blick auf die in den Nachrichten unterrepräsentierten Rentenmärkte

Wie bereits in der Lehman- bzw. Eurokrise fokussiert sich die Presse im aktuellen Corona-Geschehen nahezu ausschließlich auf die volatilen Entwicklungen an den Aktienmärkten. Und das obwohl die Aktionärsquote in Deutschland bei unter 15% liegt und die Corona-Maßnahmen der Notenbanken primär die Anleihemärkte stützen. Aus gutem Grund: von der Presse weitgehend unbeachtet kommt es derzeit nämlich auch an den Anleihemärkten zu teils erheblichen Verwerfungen. Verantwortlich hierfür sind in erster Linie weder finanzielle Schwierigkeiten der Emittenten noch daraus abgeleitete „Massen-Downgrades“ durch die Ratingagenturen. Vielmehr lässt sich als wesentlicher Grund der schlagartige Rückgang der Liquidität an den Rentenmärkten ausmachen. Getrieben durch hohe Mittelabflüsse (siehe Grafik) entstand insbesondere bei passiven Fonds und großen Asset Managern eine regelrechte „Verkaufsnot“. Wurden diese Verkäufe anfangs noch relativ gut bedient, stellten viele Intermediäre nach kurzer Zeit Ankaufskurse nur noch mit großen Abschlägen. Aufgrund des hohen Volumens auf der Verkaufsseite wurde der Handel durch manche Geldhäuser sogar nahezu komplett eingestellt. Dies führte jüngst - auf erheblich niedrigeren Kursniveaus - zu einem „Austrocknen“ der Liquidität am europäischen Rentenmarkt.

Mittelabflüsse in Höhe von 218 Mrd.$ auf dem europäischen Markt für Unternehmensanleihen in den letzten beiden Wochen
Mittelabflüsse in Höhe von 218 Mrd.$ auf dem europäischen Markt für Unternehmensanleihen in den letzten beiden Wochen

Die Regierungen und Notenbanken haben als Antwort auf die gegenwärtige Corona-Krise extrem weitreichende Maßnahmen beschlossen. So hat die EZB bereits verkündet ab sofort und bis Jahresende zusätzlich Anleihen privater und öffentlicher Emittenten im Umfang von insgesamt 750 Mrd. Euro anzukaufen. Das Programm der EZB läuft dabei unter dem Namen Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) und verfügt über ein Höchstmaß an Flexibilität. Nur kurze Zeit später kündigte auch die US-Notenbank Fed unbegrenzte Staatsanleihekäufe sowie den erstmaligen Ankauf von Unternehmensanleihen mit „Investment Grade“ Rating an.

Auch von fiskalpolitischer Seite wurden in den vergangenen Tagen gewaltige Programme zur Stützung der Wirtschaft in den verschiedenen europäischen Staaten angekündigt. Die US-Regierung verabschiedete ebenfalls ein beachtliches Fiskalpaket im Umfang von bis zu zwei Billionen US-Dollar. Zusammengerechnet stehen die G20-Staaten mit rund 5 Billionen Dollar bereit.

Auch wenn die genannten Maßnahmen die Ursache der Krise nicht beseitigen können, so werden sie sicherlich dazu beitragen, die wirtschaftlichen Folgen abzumildern.

Trotz der beschriebenen Maßnahmen sind die Kapitalmärkte weiterhin im Ausnahmezustand. Auch wenn sich Aktien sowie Staatsanleihen vorerst stabilisiert haben, kämpfen die übrigen Renten weiterhin mit starken Verwerfungen. Das größte Problem liegt dabei in der schlechten Liquiditätssituation am Sekundärmarkt. Zwar sehen wir angesichts der positiven Entwicklungen am Aktienmarkt auch bei Unternehmensanleihen ein leicht positiveres Kursbild, dieses wirkt sich allerdings kaum auf die tatsächliche Handelbarkeit der zugrundeliegenden Rentenpapiere aus. Der Markt bleibt geprägt von nur minimalen Umsätzen und äußerst geringer Liquidität. Der überwiegende Teil des europäischen Marktes für Unternehmensanleihen ist derartig illiquide, das kein normaler Handel stattfindet. Selbst bei Inkaufnahme großer Kursabschläge ist der Handel keineswegs sicher, da aufgrund der „Verkaufsnot“ vieler ETFs und großer Asset Manager nur einseitiges Marktinteresse vorherrscht. Ähnliches, wenn auch deutlich abgeschwächt, beobachten wir bei Covered Bonds. Lediglich kürzere, staatsnahe sowie supranationale Papiere weisen eine erhöhte Liquidität und damit einhergehend engere Geld/Briefspannen auf.

Es gibt jedoch auch Grund zur Hoffnung: so kommt es am Primärmarkt seit einigen Tagen zu erhöhter Neuemissionstätigkeit. Den Anfang machten dabei große und eher defensive Emittenten wie Nestle, Sanofi und Philips. Aufgrund der sehr hohen Neuemissionsprämien erfreuen sich diese Anleiheemissionen einer starken Nachfrage und sind teilweise mehr als zehnfach überzeichnet. Und auch der Sekundärmarkt eröffnet derzeit für Investoren einzigartige Möglichkeiten. So weisen Unternehmensanleihen etablierter deutscher Emittenten aufgrund der o.g. Kursrückgänge attraktive Renditen auf – und das sogar bei Restlaufzeiten von nur wenigen Monaten, wie die folgende zwei Beispiele aufzeigen:

otto group
Sixt
 

Attraktive Chancen sind eben auch oder gerade in derartigen Kapitalmarktsituationen reichlich vorhanden, was aktiven Anleihemanagern in die Karten spielen dürfte.